Vor kurzem konnte ich wieder einen Vortrag von Valerie Kivelson zum Thema „Race in Muscovy“ hören. Das Thema ist hochaktuell, doch auch brandgefährlich.

Gefährlich ist es, weil man dazu tendiert, heutige Stereotypen in moskovitische bildliche Darstellungen hineinzuinterpretieren. Aber sind die schlitzäugig dargestellten Reiter in der illustrierten Chronik tatsächlich Mongolen? Nein, sagt Kivelson. Sie sind nur anonyme Kavallerie oder irgendwelche Fremden, die stereotypisiert dargestellt werden.

Auch Dämonen werden mit Schlitzaugen dargestellt. Hier ist es noch deutlicher, dass diese Darstellungen mit Fremdsein, aber auch dem Bösen konnotiert werden. Aber dies wird nicht auf bestimmte, in der frühen Neuzeit gar nicht ausgeprägte Nationalitäten projiziert. Fremde und Dämonen sind hier ein Beispiel dafür, dass sich die eigene Gruppe gegenüber einer anderen als Gruppe definiert. Es geht also eher um eine soziale Abgrenzung als um eine ideologische Verdammung des Anderen.

Schließlich belegt Kivelsons Vortrag die Funde von Janet Martin, die bereits vor einiger Zeit anhand von schriftlichen Quellen zeigen konnte, dass man z.B. als getaufter Tatar innerhalb von zwei bis drei Generationen in der moskovitischen Adelselite aufgehen konnte. Die Herkunft spielte keine Rolle, wenn man sich sozial akzeptabel benahm.

Und außerdem sei noch auf Puškin verwiesen, dessen Abstammung in dritter Generation von Hannibal, dem Mohr Peters des Großen bei seinem Aufstieg zum größten Dichter Russlands keine Rolle gespielt hat.