Personen, die sich mit Altrussland beschäftigen, sind von vornherein schon nicht normal. Sie sind überdurchschnittlich an ihrem Thema interessiert und lassen sich auch nicht durch schlechte Jobaussichten davon abhalten. Sie können viele alte Sprachen zumindest passiv, darunter solche wie Altkirchenslavisch und Altrussisch, und Latein können sie meistens auch. Nicht nur sprachlich, auch methodisch sind die Vertreterinnen und Vertreter dieses Faches eher auf der genialen Seite zu verorten.

Den Vogel abgeschossen hat jedoch letztlich Christian Raffensperger. Er gehört zu den Personen, die „Portraits of Medieval Russia“ schreiben. Das sind Porträts mittelalterlicher handelnder Personen, die als Essay, Brief, Tagebucheintrag oder andererseits geschrieben werden. Sie sollen in einem Sammelband zusammengefasst werden und in den USA in der Lehre benutzt werden.

Menschen, die nicht mit der Lehre in den USA vertraut sind, sehen diese Porträts eher skeptisch. Warum sollte man die Biographie wieder in die historische Lehre einbauen, wenn wir doch gerade von der History of Great White Men wegwollen? So war ich sehr skeptisch, als auf der letzten ASEEES-Tagung einige dieser Porträts vorgeführt wurden.

Die Skepsis blieb, bis Christian Raffensperger seinen Beitrag vorlas. Hier, so dachte ich, scheint der richtige Ton getroffen zu sein und der Brief der Tochter Jaroslavs des Weisen, Eupraxia, könnte tatsächlich so geklungen haben.

Kein Wunder. In der Diskussion stellte sich heraus, dass Christian den Brief auf Kirchenslavisch geschrieben und dann ins Englische übersetzt hat. Ein Genie unter uns komischen Geistern ist er damit allemal.