Ein Panel-Titel kann manchmal fehlleiten.  Auf der diesjährigen ASEEES-Tagung in New Orleans wurde ein Panel unter dem Titel „Zuschreibung von Autorschaft“ angekündigt. Da es mich interessiert, wie man heutzutage in der Zunft der Historiker über die Zuschreibung von Autorschaft zu Texten denkt, ging ich hin.

Wie groß war mein Erstaunen, dass die drei Vortragenden sowie ihre Diskutantin tatsächlich darüber diskutierten, welchem Autor welcher Text zugeschrieben werden kann.  Dabei ist diese Fragestellung vergleichsweise langweilig, denn sie beruht auf dem romantischen Autorenbild, das um 1800 entwickelt wurde und das seit Mitte des 20. Jahrhunderts von Autoren der Postmoderne, allen voran Foucault, Barthes und Derrida, angegriffen wurde.

Foucaults antwort auf die Frage, was ein Autor ist, lautet: er ist der Begründer eines Diskurses. Untersucht man den Diskurs, der von einem Text hervorgerufen wurde, kann man vielleicht auf einen Menschen als Autor stoßen. Viel interessanter ist jedoch die Auswirkung, die ein Text auf andere Texte hatte.

So ist es vergleichsweise gleichgültig, ob Shakespeares Werke wirklich von dem Menschen aus Stratford-upon-Avon geschrieben wurden. Wichtig sind die Auswirkungen, die die Werke, die unter dem Namen „Shakespeare“ kursieren, auf die europäische Kultur gehabt haben.

In vor-romantischer und vor-moderner Zeit wurde Autorschaft nicht über die Zuordnung zu einer Person definiert. Im 16. und 17. Jahrhundert gab es zwei andere Möglichkeiten. Zum einen konnte man einen Text pseudoepigraphisch einem autoritativen Diskurs  zuordnen. Diese Zuordnung ermöglichte es, den eigenen Text in einen textuellen Zusammenhang zu stellen, ihm Authentizität und gleichzeitig Autorität zu geben.

Zum anderen konnte man dem Text durch paratextuelle Rahmung eigene Autorität verschaffen. In diesem Falle wird der Text durch das Zufügen von Paratext als authentisch markiert. Der Text kann dadurch einen eigenen Diskurs eröffnen, der Autorname, wenn dem Text denn einer zugeordnet wurde, wird mit dem Diskurs verbunden und autoritativ.

In beiden Fällen erhält man autoritative Texte mit einem bestimmten Stellenwert, einmal in einem bereits bestehenden Diskurs, das andere Mal in einem neu zu begründenden Diskurs. Diese unterschiedlichen Diskurse zu untersuchen, gibt mehr Einblick in die Art, wie Texte in der Vormoderne genutzt wurden, als die Frage nach einer realen Person als Autor. Die Identifikation einer solchen Person ist eher ein Nebeneffekt, der sich wiederum aus dem Diskurs begründen kann.

Je mehr ich mich mit der Frage der Authentizität von Texten im vormodernen Russland beschäftige, desto lohnender erscheint mir die Untersuchung des Diskurses statt die Zuordnung des Autors. Deshalb wäre es schön gewesen, wenn ich auf der Tagung die Meinung anderer zum Thema „Zuordnung von Autorschaft“ gehört hätte.