Was tut man, wenn man einen Buchverlag in Holland im 17. Jahrhundert hat? Wenn man aus einem anderen Projekt viele Grafiken übrig hat, die teuer waren und nun irgendwo veröffentlicht werden müssen, um ihr Geld wieder hereinzuspielen? Wenn man einen Autor hat, der sich mit der Obrigkeit angelegt hat und nun nicht mehr namentlich in Erscheinung treten kann?
Man sucht sich ein Genre, das sich gut verkauft, zum Beispiel Reiseerzählungen in ferne, exotische Länder wie Italien, Griechenland, Livland, Moskovien, Tatarien, Persien, Ost-Indien und Japan. Man sucht sich einen Seemann, der in die Gegenden gefahren ist und spannende Geschichten erzählen kann wie Jan Struys (1629-1694). Und man nimmt sich einen guten Ghostwriter wie Olfert Dapper, der aus Struys‘ Geschichten und anderen Veröffentlichungen über die von ihm bereisten Gegenden ein lesenswertes Buch zusammenkompiliert – heute würde man sagen zusammenplagiiert.
Herausgekommen ist ein Buch, das unter Struys‘ Namen „Gefährliche Reisen“ in die genannten Gegenden berichtet, in dem bereits Bekanntes erzählt wird und in der Manier der Odyssee der Held manche Abenteuer erlebt. Außerdem ist ein Bestseller entstanden, der bereits im 17. Jahrhundert mehrere Auflagen erlebte.
Die Buchhändler waren finanziell gerettet, die Grafiken gewinnbringend untergebracht, der in Ungnade gefallene Ghostwriter hatte sein Auskommen ebenso wie der in der Welt herumgekommene Seemann.
Was macht es da schon, dass Jan Struys‘ seine beiden Heiratsurkunden mit einem ein „J“ darstellenden Schnörkel unterschrieb, und sich damit als Analphabet outete? Was macht es da schon, dass die Geschichten, die erzählt werden, nicht unbedingt historisch korrekt sind und dass viele Landesbeschreibungen gnadenlos von bereits vorher erschienenen Werken abgeschrieben wurden?
Für den Historiker unserer Zeit macht dies natürlich schon etwas. Bei der Untersuchung von Quellenmaterial sollten wir uns immer vor Augen halten, dass auch im 17. Jahrhundert die Buchindustrie für einen Markt produzierte und eher keine historisch-kritische Methoden anwandte. Die Entstehungssituation unserer „Quellen“ ist häufig eine andere als wir es wahrhaben wollen, und auch in früherer Zeit dachte man beim Schreiben vor allen Dingen an die Leser und ihr Vergnügen, bzw. ihren Geldbeutel.
Eine Aussage macht ein Buch wie das von Jan Struys natürlich trotzdem, nämlich über die Neugier eines holländischen Publikums, kuriose Dinge aus exotischen Welten zu erfahren und ihr Weltbild beschrieben zu bekommen. Und hier kann der Historiker wieder arbeiten.
Die Geschichte von Jan Struys‘ Buch kann hier nachgelesen werden:
Boterbloem, Kees: The Genesis of Jan Struys’s Perillous Voyages and the Business of the Book Trade in the Dutch Republic, in: Papers of the Bibliographical Society of America 102,1 (2008), S. 5-28.
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.