Vor einiger Zeit brachte ein Bekannter die Rede auf das Buch Henoch, eine apokryphe jüdische Schrift aus der Zeitenwende. Da es eine slavische Übersetzung dieses Buches gibt, war ich neugierig und lieh mir die deutsche Übersetzung einmal zur Lektüre aus.

Besagte Lektüre war eher langatmig. Der Ich-Erzähler Henoch wandelt durch Palästina und sieht allerhand Dinge. Vielleicht hat er auch nur Visionen. Ich überflog den Anfang, las den Rest quer und gab das Buch wieder zurück. Meinen Bekannten bewunderte ich dafür, dass er die Geduld aufgebracht hatte, diese wirren Dinge zu lesen.

Ein Aufsatz von Margaret Barker brachte nun mehr Klarheit in Henochs Buch. Sie bezieht sich auf die slavische Übersetzung. In diesem Buch, so Barker, geht es darum, wie Henoch zum Hohepriester gemacht und dadurch zum Engel wurde. Dies geschah dadurch, dass Henoch vor dem Allerheiligsten des jüdischen Tempels in Jerusalem stand und der Erzengel Michael seine irdischen Kleider als Symbol für seinen sterblichen Körper zu sich nahm.

Schließlich wurde Henoch von Michael mit einem heiligen Salböl gesalgt. Durch diese Salbung erstand Henoch von seinem irdischen Körper auf. Der Engel lehrte ihn, und so erhielt Henoch Weisheit.

Leider ist das Salböl, das Adam aus dem Paradies gestohlen hatte, mit dem ersten Tempel zerstört worden. Doch scheint der Erzengel für Henoch etwas davon aus dem Paradies mitgenommen zu haben, denn es verleiht ihm auch weiterhin die nötige Weisheit.

Im Lichte dieses Aufsatzes das Buch Henoch noch einmal zu lesen, macht wahrscheinlich auch ein wenig weiser. Zumindest lässt es den Text wesentlich verständlicher werden.

All dies ist nachzulesen bei:

Barker; Margaret: Fragrance in the Making of Sacred Space. Jewish Temple Paradigms of Christian Worship, in: Ierotopija. Sratnitel’nye issledovanija sakral’nych prostranstv, hrsg. v. A. M. Lidov, Moskva 2009, S. 71-83