Eine meiner größten Enttäuschungen erlebte ich in Kevelar, dem bekannten Marienwallfahrtsort am Niederrhein. Auf der Suche nach dem wunderwirkenden Bild der Muttergottes von Kevelar muss man ins Stadtzentrum. Dort steht hinter einer großen Kirche ein kleines Kapellchen.

Und auf der Rückseite des Altars des Kapellchens findet man das wunderwirkende kleine Bildchen, das sich als Druck von 1640 entpuppt.

In der zu Bild und Kapellchen gehörenden Legende entpuppt sich die Muttergottes als sehr umtriebig. Um den Bau der Kapelle zu sichern erscheint sie zwei Personen, einer in Form des Bildes in der bereits fertigen Kapelle. Das Bild wurde gekauft, die Kapelle gebaut, und schon geschahen Wunderheilungen.

Dies alles wurde einem reproduzierten Kunstwerk zugeschrieben, nicht einem gemalten Bild oder gar einer in Person erscheinenden Heiligen. Das Kunstwerk im Zeitalter der Reproduzierbarkeit (Benjamin) wird zum Garanten einer Heilsgewissheit, die man neu drucken, für Geld kaufen und ausstellen kann.

Wie Justin Willson auf der letzten ASEEES-Konferenz deutlich machte, galt dies auch für die Ostkirche. Im 17. Jahrhundert konnte man sich zwar noch darüber streiten, wie viele Abdrucke man von einem Heiligenbild drucken konnte, die generelle Reproduzierbarkeit auch der erlösenden Wirkung wurde jedoch nicht in Frage gestellt. 3-4 Abdrucke, abgepaust auf Störhaut, vielleicht noch handkoloriert, waren völlig in Ordnung.

Willsons zeitweilige Ausstellung von gedruckten Ikonen im Ikonenmuseum von Clinton bei Boston zeigt jedoch, dass nicht nur das einzelne Andachtsbild als Rarität reproduziert werden konnte, sondern dass man ganze Evangelien mit Bildern geschmückt zu hunderten drucken konnte, ohne dass die darin enthaltenen Bilder an ihrer Wirkmächtigkeit verloren hätten.

Dieser Erhalt der Wirkmächtigkeit der gedruckten Ikone bis in die heutige Zeit zeigt sich eindrücklich im Marienbild von Kevelaer.


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