Es sind unsere Entscheidungen, die unser Leben beeinflussen. Und sei es nur die Entscheidung, den letzten Tag der letzten ASEEES-Konferenz nicht in einem IT-panel zu verbringen, sondern das Panel zur Liturgie zu besuchen. Hier waren drei Vorträge zusammengestellt, in denen es um Künstler und ihre Arbeit ging.
Was vordergründig eine eher kommunistische Fragestellung ist, entpuppte sich in der Diskussion – die aufgrund des Fehlens von Moderator und Diskutantin länger ausfallen konnte – als Glücksgriff. Denn eigentlich ging es nicht so sehr darum, was der Künstler kann, sondern was er transportiert.
Offensichtlich wurde die Frage in einem Leserbrief in einer russischen Zeitung: warum sollen eigentlich die Komponisten von Kirchenmusik ein Denkmal bekommen? Eigentlich sind es diejenigen, die die Musik aufführen, die das Denkmal verdienen.
Abgesehen davon verdienen die aufführenden Künstler der Kirchenmusik, aber auch die Maler von Ikonen oder die Autorinnen von zeitgenössischer Poesie nicht nur Geld für ihre Aufführung oder Veröffentlichung der Kunstwerke. Wie schnell klar wurde, sind sie es, die den dem Kunstwerk innewohnenden Sinn, einen gewissen Mehrwert produzieren.
Die Kirchenmusik macht es deutlich: wer kann schon eine Partitur so lesen, dass das Kunstwerk im Kopf erklingt? Bei der Aufführung während der Liturgie kommt es zum Mehrwert, weil die Aufführenden nicht nur mechanisch einen Ton nach dem anderen singen, sondern mit den Tönen auch den Sinn des Textes produzieren. Das Publikum hat die Chance, mehr als nur Töne, einen tieferen Sinn des Textes, der in der Musik versteckt ist, zu hören.
Gleiches gilt für die Ikonenmaler, die ja per definitionem bereits das göttliche Urbild in die Ikone einarbeiten und so die Betrachtenden in den Himmel hinein ziehen. Während das Inventar des Klosters trocken beschreibt, das 20 Rubel dafür gezahlt wurden, hatte der Maler schlaflose Nächte darüber, wie genau er die Göttlichkeit des Heiligen darstellen konnte. Erst nach seinem nächtlichen Erscheinen wurde die Ikone ihm ähnlich und konnte so auch die Heiligkeit des Menschen transportieren.
Die Poetin Olga Sedakova schließlich nennt in der Rede auf die Nobelpreisträgerin Svetlana Alexievitsch die Schriftstellerin eine Ikone. Denn auch sie versucht, durch ihr Werk nicht nur Laute und Sätze, nicht nur einfache Bedeutungen an das Publikum weiter zu geben, sondern immer auch einen Mehrwert. Wie die Ikone das Heilige zum Menschen transportiert, transportiert der Text eine höhere Erkenntnis zum Publikum.
Und das gilt für alle Künstler, sonst könnten sie ja Postkarten schreiben.