Die These, dass die Pseudo-Kurbskij-Schriften etwas mit dem Raskol zu tun haben könnten, hat 1999 bereits Gabriele Scheidegger aufgestellt. Besonders auffällig wird dies in Kurbskijs „Geschichte des Moskauer Großfürsten“ im Teil VII-IX.

Diese Teile behandeln die Phase der Regierungszeit Ivans IV., in der Bojaren und Kirchenangehörige von ihm ermordet werden. Im Gegensatz zu den deutschen Flugschriften, die diese Ermordungen als horrende Gemetzel beschreiben, ist Kurbskijs Beschreibung hier relativ moderat. Eines jedoch ist auffällig:

Die  Bojaren werden grundsätzlich mit ihrer gesamten Kernfamilie, also Ehefrau und Kindern, ermordet. Und diese Familien werden grundsätzlich als sehr fromm beschrieben. Auch die Kirchenleute, die ermordet werden, sind sehr fromm und stammen aus nordrussischen Klöstern.

Hier scheint es nicht so sehr um die schreckliche Regierungszeit Ivans IV. zu gehen, in der es eher weniger um Frömmigkeit ging. Die Zeit, in der der Zar gegen fromme Familien vorging und gegen Klosterleute im Norden Russlands, die fromm am Althergebrachten festhalten, ist vielmehr die Zeit Aleksej Michajlovičs, die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts.

In dieser Zeit macht es Sinn, dem Zaren die Ermordung frommer Bojaren und ihrer Familien vorzuwerfen. Es macht auch Sinn, ihm die Ermordung von Mönchen in nördlichen Klöstern, die am Glauben festhalten, vorzuwerfen. Haben doch gerade die Klöster im Norden Russlands, z.B. auf Solovki, sich gegen die Kirchenreform gewehrt.

Sollte Pseudo-Kurbskij mit seinem schrecklichen Großfürsten Ivan IV. etwa eine historische Allegorie geschaffen haben? Sollte er zeigen wollen, dass ein russischer Zar sehr wohl fehlbar und grausam sein kann,  wie Ivan IV., so Aleksej Michajlovič?

Wenn dem so ist, so ist dies das erste Mal, dass in Russland mit Geschichte argumentiert wurde. Und das wäre nun wirklich interessant und spannend weiter zu untersuchen.