Auch wenn die Historikerin gern auf Dynamik und Entwicklung abhebt, kommt sie manchmal auf Traditionelles und Bewahrendes zurück.

Gestern hörte ich einen Vortrag von Stefan Lehr an der Universität Köln. Es ging um zwei Adelsfamilien aus Russland und ihre Korrespondenz. Die Korrespondenz beschreibt das Leben und die Interessen der Familienangehörigen. Die Zeit von 1780-1840 ist besonders geeignet für eine derartige Untersuchung, weil hier durch den Einfluss der Romantik die Kernfamilie betont wird.

Interessant für die Forscherin der Frühen Neuzeit war jedoch, dass gängige Muster aus dem 16. und 17. Jahrhundert auch am Beginn des 19. Jahrhunderts funktionierten. So heirateten die Angehörigen des Hochadels fast ausschließlich untereinander. Sie behielten so die sozialen Netzwerkstrukturen bei, die bereits in der frühen Neuzeit ausschlaggebend für ihren Erfolg waren.

Des weiteren waren es die Frauen, die die sozialen Netzwerke – nun nicht nur über Heiraten und kirchliche Memoria, sondern konkret über Briefkommunikation, aufrecht erhielten. Die Männer hatten hohe Positionen in der Staatsverwaltung oder im Militär inne. Man kann davon ausgehen, dass die Männer in die entsprechenden Positionen durch Nepotismus und das Ausnutzen auch des weiblichen sozialen Netzes befördert wurden.

Die enge Verbindung zwischen Hochadel und Herrscherfamilie machte sich in der frühen Neuzeit durch Geld, bzw. Geld- und Landgeschenke bemerkbar. Im 19. Jahrhundert haben die Adeligen die lukrativen Staatsaufträge für das Branntweinmonopol oder das Militär inne. Inhaltlich hat sich nichts an der Verbindung von Herrscher und Hochadel geändert.

Was allerdings kurios ist und was man nicht nur als Letztes unter einem Gender-Aspekt untersuchen sollte: in der untersuchten Kernfamilie wurde die Gutsverwaltung und auch die Verteilung des Geldes von der Matriarchin vorgenommen. Davon habe ich für die frühe Neuzeit nichts gehört. Der ökonomischen Rolle der hochadeligen Frau sollte einmal nachgegangen werden.