Tertium comparationis zwischen den russischen Herrschern Ivan IV., Peter I. und Iosif Stalin ist für Kevin M. F. Platt ein historisches Trauma, ein Akt der Gewalt, der verdrängt wird zugunsten einer historischen Größe.
Zwar untersucht Platt nur Ivan IV. und Peter I. und nicht auch Stalin, doch ist sein Ausblick auf die staatliche Einflussnahme auf die Geschichtsschreibung im letzten Jahrzehnt hier recht eindeutig. Die großen Säuberungen werden marginalisiert zugunsten eines nationale Größe hervorhebenden Patriotismus, und so wird für das 20. Jahrhundert der gleiche Akt vorgenommen wie schon in den vergangenen Jahrhunderten für die petrinische und die frühneuzeitliche Geschichte. Gewalt wird verdrängt und verschwiegen, ein Trauma induziert.
Für Ivan IV. wie auch für Peter I. macht Platt in einem Überblick über die Geschichtsschreibung seit Nikolaj Karamzins einflussreicher „Geschichte des russischen Staates“ (1818-24) bis zum Ende des Stalinismus deutlich, dass ein historisches Bild der beiden verschwindet zugunsten immer neuer Interpretationen entweder ihres Terrors oder ihrer Größe. Diese Interpretationen wechseln in Abhängigkeit vom Ziel, das mit ihnen verfolgt wird.
Platt liefert eine vielseitige und wichtige Geschichte russischer Geschichtsschreibung, die die Historikerin vor die generelle Frage stellt, ob eine Geschichte der Zeit dieser beiden Persönlichkeiten des Alten Russland überhaupt geschrieben werden kann. Natürlich ist Geschichtsschreibung immer diskursabhängig, immer von aktuellen Fragestellungen abhängig, die sich im Laufe der Zeit ändern. Ebenso wie sich die Methoden historischer Forschung ändern. Die Frage ist jedoch, wo und bei welcher Forschung man hier eigentlich noch ansetzen kann, und inwieweit man sich nicht schon beim Überblick über die Forschung hoffnungslos in den unterschiedlichsten Interpretationen verheddert.
Hier ist Platts Buch als ein Handbuch zu empfehlen, das die Historiker in ihrem Interpretationszusammenhang benennt und ihre Ziele offen legt.
Literaturangabe:
Platt, Kevin M.F.: Terror and Greatness. Ivan and Peter as Russian Myths, Ithaca – London 2011.
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