Zwei Geschichten

Elena Boeck zeigt uns in ihrem Buch über den Gebrauch byzantinischer Geschichtsschreiber durch Roger II. von Sizilien und Ivan Alexander von Bulgarien, dass byzantinische Geschichte von beiden in gegensätzlicher Weise gebraucht wird.

Als Kunsthistorikerin analysiert sie die Illustrationen der von beiden Herrschern bestellten Büchern über byzantinische Geschichtsschreibung.

Im Skylitzes-Manuskript, das für Roger II. von Sizilien hergestellt wurde, herrschen Bilder vor, die den grausamen Tod byzantinischer Herrscher abbilden. Hier wird geköpft, geblendet und von hinten erstochen. Die Illustrationen zeigen eine Geschichte, die eher eine Abfolge von Grausamkeiten denn glorreich ist. Byzanz ist hier kein Vorbild, sondern abschreckend, ein Reich, das man nicht wirklich imitieren sollte.

Im Manasses-Manuskript, das für Ivan Alexander von Bulgarien erstellt wurde, sieht die byzantinische Geschichte anders aus. Dies liegt nicht nur daran, dass Manasses eine andere Geschichtskonzeption hat und die Weltgeschichte als eine Abfolge von Reichen von der Erschaffung der Welt an darstellt.

Ivan Alexanders Buch enthält emblematische Herrscherdarstellungen, deren jede für ein großes, aber untergegangenes Reich steht. Größer aber als alle Herrscher dieser untergegangenen Reiche wird Ivan Alexander als bulgarischer Zar dargestellt, ja selbst größer als Christus. Die Botschaft ist unmissverständlich: Ivan Alexander und das bulgarische Zartum im 14. Jahrhundert sind das letzte Reich der Weltgeschichte, in dem die vorhergegangenen Reiche kulminieren. Byzanz dagegen ist schon untergegangen.

Beide geschichtlichen Deutungen werden im Wesentlichen durch die Illustrationen vorgenommen. Wie man an der Geschichte der Herstellung der Handschriften sehen kann, sind diese von einer Person konzeptionell vorbereitet worden. Geschichte wird durch Illustrationen kommentiert, nicht umgekehrt.

  1. „Geschichte wird durch Illustrationen kommentiert, nicht umgekehrt.“ Umgekehrt wäre: Illustrationen werden durch Geschichte kommentiert, was reichlich sinnfrei ist. Oder sollte „Geschichten“ (wie in Narrativ) gemeint sein?

    • Hier geht es um Geschichtsschreibung. Die Geschichte, die im Narrativ dargestellt ist, wird durch Illustrationen gedeutet und kommentiert. Die Illustrationen sind nicht dazu da, die erzählte Geschichte abzubilden. Insofern ist es „nicht umgekehrt“.

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