In der neuen Kino-Kultura findet sich die Rezension des Films „Orda“ (Die Horde) von Andrej Proškin von 2012. Die Rezension stammt von Maureen Perrie, Professorin an der Universität von Birmingham und Kennerin der Zeit, in der der Film spielt.
Perrie fasst nicht nur die Kritiken am Films zusammen, sondern ordnet ihn und seine Quellen in den historischen Kontext ein. Immer wieder macht sie auch darauf aufmerksam, dass historische Fakten an die Erfordernisse des Films angepasst werden müssen, um den Sehgewohnheiten des Kinopublikums zu entsprechen und überhaupt etwas zum Verfilmen zu haben. So viel Verständnis äußern Historiker selten an Verfilmungen.
Im Film geht es um eine Begebenheit, die sich im Heiligenleben des Metropoliten Aleksej findet. Aleksej hat angeblich die Mutter des Mongolen-Chans Džanibek von Blindheit geheilt. In der Vita Aleksejs wird diese Geschichte relativ unspektakulär dargestellt: er fuhr hin, heilte sie und kehrte zurück. Dass sich hieraus nicht wirklich ein Film mit Spannungsbogen und opulenten Szenen drehen lässt, ist einleuchtend.
Perrie weist einiges an Kritik an dem Film zurück. Die Kritik der Tataren in Russland, der Film beschreibe ihre Vorfahren als blutdürstige Barbaren ist unbegründet. Russische Nationalisten halten die Darstellung des Moskoviter Reiches im 14. Jahrhundert für primitiv. Orthodoxen Gläubigen gefällt die Darstellung Aleksejs nicht. Und Wissenschaftlern gefällt der dem Film-Genre geschuldete Umgang mit historisch Nachweisbarem nicht.
Was den Film so spannend macht ist laut Perrie die Darstellung des Wunders. Aleksej heilt im Film die Chan-Mutter nämlich nicht nach biblischem Vorbild. Oder zumindest nicht sofort. Alles Beten, alle Arbeit mit Weihrauch und Weihwasser oder das Verrühren von Erde mit Speichel, nützten Aleksej nichts. Erst als er sich in einem Akt der Kenosis, der Erniedrigung um Gottes Willen, zu den russischen Gefangenen gesellt und ihr Los teilt, ja sogar in Imitation von Christi Passion sich selbst als Opfer für die Freilassung der anderen zur Verfügung stellt, wird die Frau geheilt.
Diese Reflexion des Ausdrucks „Wunder“ ist es, die der Erzählung Tiefe verleiht. Und natürlich die opulenten Szenen am Hofe des Mongolen-Chans.
Übrigens: Den Ausdruck „Tataren“ benutzt die Wissenschaft heute nicht mehr. Man benutzt „Mongolen“. Als „Tataren“ wird eine Volksgruppe in der heutigen russischen Föderation bezeichnet, deren Wurzeln auf die Mongolen des Mittelalters zurück gehen.
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.