Russell Martin hat ein Buch über die Brautschau in Moskovien geschrieben. Herausgekommen ist ein Buch, das die Heiratspolitik der russischen Zaren bis ins 19. Jahrhundert hinein beschreibt. Hierbei gelingt es dem Autor, die politischen Konstellationen, die zu der jeweiligen Heiratspolitik führten, herauszustellen.

Eingeführt wurden die Brautschauen 1505, als die moskovitische Oberschicht merkte, dass die religiösen Unterschiede zwischen Russisch-Orthodoxen im Osten und den Katholiken im Westen zu groß wurden, als dass man sie bei Hochzeiten mit vertraglichen Vereinbarungen überbrücken könnte. Außerdem macht Martin ziemlich deutlich, dass die Verheiratung einer jungen Zarentochter ins Ausland mit 68.000,- Rubeln eine ruinöse Angelegenheit war, konnte man sie in Moskau für 2000,- Rubel verheiraten.

Der Kostenfaktor gehört zu den neuen Erkenntnissen, die Martin in seinem Buch darstellt. Des weiteren ist seine Studie deshalb hervorzuheben, weil er die Originaldokumente zu den Hochzeiten der Moskoviter und russischen Zaren eingesehen hat und daraus neue Erkenntnisse ziehen konnte.

Neben den hohen Kosten einer Heirat mit Ausländern gehörten innermoskovitische Rangauseinandersetzungen zu den schwer wiegenden Gründen dafür, dass die Zaren bis zum Ende des 17. Jahrhunderts nur innerhalb ihres Landes heirateten.

Da eine Heirat mit dem Zaren dazu führte, dass die Verwandten der Heiratskandidatin Anspruch auf Ämter am Zarenhof hatten, wurde die Kandidatin nach bestimmten Kriterien ausgesucht. Zum einen stammten bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts  die Bräute der Zaren immer aus dem mittleren Adel. Die dem Zaren nahestehenden Bojarenfamilien achteten bei der Auswahl der Bräute darauf, dass das Machtgleichgewicht zwischen ihnen durch die Auswahl der Braut nicht gestört wurde.

Zum anderen wurde darauf geachtet, dass die Braut gesund war und aus einer gesunden Familie stammte. Dies war wichtig, damit der Fortbestand der Dynastie, die seit dem 15. Jahrhundert das Primogenitur eingeführt hatte, gewährleistet blieb.

Erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts änderten sich die Auswahlkriterien. Nun wurden den Zaren Bräute aus dem hohen Adel präsentiert. Die Auswahl der Bräute reflektierte nun die Zusammensetzung der regierenden Oberschicht. Dies ist nach Martin auch einer der Gründe dafür, dass man im 18. Jahrhundert eher Ausländerinnen heiratete; es gab zu viel Streit.

Peter I. ging als erster Zar eine Liebesheirat mit der zukünftigen Zarin Katharina I. ein – allerdings  erst in zweiter Ehe. Peter nutzte auch zum ersten Mal seit 200 Jahren Heiraten wieder als Mittel der Diplomatie mit Westeuropa. Eine weitere Änderung des Nachfolgerechtes durch Paul I. führte dazu, dass die Angehörigen der Zarendynastie nur noch in andere europäische „regierende“ Häuser einheiraten durften.

Martin macht auf eine Fiktion aufmerksam, wenn er die Heiratspolitik der Romanovs und ihrer Vorgänger im 16. Jahrhundert beschreibt. Wahrscheinlich hatte niemand in Russland so wenig Spielraum bei der Auswahl seiner Braut wie der russische Herrscher.  Von Liebesheirat kann hier keine Rede sein. Martins Erzählung erinnert an Lawrence Stones Studie zur Heiraten in England zur gleichen Zeit, die er „uncertain unions“ nennt, und in der es darum geht, dass die Menschen in England ihre Ehen sehr schnell auflösen lassen konnten, weil man in den vielen religiösen Veränderungen des 16. Jahrhunderts vergessen hatte, eine Regelung für das Heiratsrecht einzuführen. Auch in diesen Ehen spielte die Liebe eine eher untergeordnete Rolle.

Literatur:

Stone, Lawrence: Titel Uncertain Unions. Marriage in England 1660 – 1753, Oxford 1992.

Martin, Russell E. :A Bride for the Tsar. Bride-Shows and Marriage Politics in Early Modern Russia, DeKalb 2012.