Das Kunstmuseum bildet doch. Neulich habe ich in einer Sammlung moderner Kunst ein Buch über die Kunstakammer des 16. Jahrhunderts gefunden und gelesen und gleich weiter gedacht.

Im 16. Jahrhundert wurde die Kunstkammer erfunden. Mitnichten ein Kuriositätenkabinett, richtete man sie an den Höfen der Herrschenden und der Gelehrten ein. Diese Einrichtung speiste sich nach Horst Bredekamp aus zwei Phänomenen, Antikensehnsucht und Maschinenglauben.

Die Sehnsucht nach der Antike, in der man hohe Philosophie, Gelehrtheit und Kunstfertigkeit vermutete, führte zur Sammlung antiker Statuen. Gleichzeitig fertigten Künstlerinnen und Künstler selbst welche an. Hierbei kam es darauf an die Natur möglichst lebensecht darzustellen.

Der Maschinenglaube des Mittelalters und der frühen Neuzeit wiederum zeigte sich darin, dass man diese lebensecht nachgestellte Natur auf Räder stellte, ihnen Uhrwerke einbaute und sie sich selbstständig bewegen ließ. Hierzu erfand man allerhand mechanische Apparaturen, stellte diese wiederum in Kupferstichen dar und entwickelte sie weiter.

All dies deutet auf das Bindeglied zwischen Antikensehnsucht und Maschinenglaube hin, das man im Mittelalter gemeinhin nicht vermutet, nämlich das Wissen von der Historizität der Natur. Natur wurde nicht als seit der Schöpfung gleich bleibend gesehen, sondern als sich zu einem Besseren hin verändernd.

Dies ist nicht so abwegig, immerhin gelangen gerade in der Landwirtschaft auch schon im Mittelalter Zuchterfolge. Dass sich Natur verändern konnte, war also allen klar, und dies wurde als der Schöpfung inhärent empfunden.

In den Kunstkammern ging es nun darum, diese Veränderung der Natur in ihrer Geschichtlichkeit darzulegen und gleichzeitig alle ihre Bestandteile zu sammeln. So fing man zwar mit den einzelnen Steinen, Mineralien, Pflanzen etc. an, ging jedoch sofort zur Darstellung dessen über, was der Mensch mit ihnen tun konnte. So kamen Skulpturen in die Sammlungen.

Aber auch die Grundlagen naturwissenschaftlicher Beschreibung wurden ausgestellt, u.a. auch Globen, Karten etc., alles, mit dem man sich die Welt aneignen und sie klassifizieren konnte.

Schließlich konnte man die ganze Welt in ihrer Veränderung in die Kunstkammer stellen, das natürliche Ausgangsprodukt, die Werkzeuge, die Menschen zur Bearbeitung erfanden, und das daraus resultierende Kunstwerk.

Inmitten der Kunstkammer saß der Herrscher als großer Schöpfer und drechselte wundersame Gebilde.

Bredekamp zeigt, wie die Veränderbarkeit der Natur als historisch gelesen wurde und wie man versuchte, sie im 16. Jahrhundert umfassend darzustellen und anzusehen. Eine Weltsicht in der Kunst, gewissermaßen.

Zu Ende war dies dann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als Kunsthistoriker wie Winkelmann die Ästhetik der Betrachtung des Kunstwerks in den Vordergrund stellten und die Kunstkammern aufgelöst wurden.

So bringen vordergründige Museumsbesuche neue Ideen für die Forschung hervor.

Literaturangabe:

Bredekamp, Horst: Antikensehnsucht und Maschinenglauben. Die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte, Berlin, 42012